Leseprobe:

Mein perfekter Liebhaber

1

 

Ich war zufrieden mit mir und meinem Leben. Meine Ansprüche waren auch nicht allzu hoch gesteckt. Ich arbeitete halbtags in einem Steuerberatungs-Büro und konnte mir die Arbeitszeit frei einteilen. Heute hatte ich erst um die Mittagszeit angefangen und um halb sechs Feierabend gemacht. Wie jeden Tag war ich mit der U-Bahn zur Arbeit gekommen und fuhr nun die gleiche Strecke zurück. Um diese Uhrzeit benutzte ich die Bahn nur selten und hatte völlig vergessen, wie viele Menschen sich im Feierabendverkehr in den Abteilen drängelten. Freie Sitzplätze gab es keine mehr und auch im Gang zwischen den Sitzreihen standen die Leute schon dicht beieinander. Die ganze Fahrt über musste ich nun wohl oder übel stehend und umringt von wildfremden Menschen hinter mich bringen. Mit einer ausgestreckten Hand hielt ich mich oben an der Haltestange fest. Mit meinen 1,65 m war ich anscheinend die Kleinste in der Gemengelage, aus meiner Sichthöhe erblickte ich nur Schultern. Die Türen schlossen sich, die Bahn fuhr an, ich verstärkte den Griff um die Stange und versuchte das Gleichgewicht zu halten. In meinem Abteil saßen und standen Leute, die ihren Blick starr auf ihr Handy gerichtet hielten. Andere blickten einfach nur ausdruckslos ins Nichts, manche unterhielten sich auch miteinander. Ich freute mich auf mein zuhause, wo ich ein ausgedehntes Schaumbad nehmen und anschließend einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher auf der Couch verbringen wollte. Als der Zug seine Geschwindigkeit kurz vor dem nächsten Halt wieder verringerte, drängelten sich schon einige Fahrgäste Richtung Tür. Ich lockerte meinen Griff um die Haltestange, trat etwas zur Seite und versuchte den aussteigewilligen Leuten Platz zu machen. Dabei berührte ich mit meiner freien Hand eine andere Hand. Das war in dem Gedränge nun wirklich nichts Ungewöhnliches. Es handelte sich auch nur um eine kurze, kaum wahrnehmbare Berührung. Eine unvermeidbare Berührung, die unter den gegebenen Umständen überhaupt keine Bedeutung haben konnte. Trotzdem hatte dieser Kontakt etwas in mir ausgelöst. Etwas völlig Irrationales. Plötzlich verspürte ich ein Kribbeln in mir. Ich wusste nicht einmal, wen ich da berührt hatte. Konnte nicht sagen, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt, ob klein oder groß. Aber in mir keimte merkwürdigerweise das Bedürfnis, diese Berührung noch einmal zu spüren. Intuitiv bewegte ich nur meinen kleinen Finger etwas zur Seite und fühlte es wieder. Dieses Kribbeln, als ich den fremden Finger leicht streifte. Dieses Mal dauerte die kurze Berührung einen Tick länger, als es bei einer zufälligen Begegnung der Fall gewesen wäre. Oder bildete ich mir das nur ein? Ich wagte es nicht, Blickkontakt zu suchen. Die Bahn stoppte in der Station, die Türen öffneten, Leute stiegen aus, andere ein und suchten sich einen Platz in dem Gedränge. Die Bahn fuhr wieder an. Angespannt wartete ich, ob der Finger meines Mitfahrers sich revanchieren würde. Aber nichts geschah. Sollte ich erneut die Initiative ergreifen? Konnte man das in dieser Situation überhaupt so nennen? War ich einfach nur wuschig, weil ich seit geraumer Zeit keinen Mann mehr gehabt hatte? War es überhaupt ein Mann, den ich da berührt hatte? Das Kribbeln ließ jedenfalls nicht nach. So etwas war mir noch nie passiert. Erlebte ich gerade unerklärliche Hitzewallungen, die die Wechseljahre mit sich brachten? Mit meinen 46 Jahren hatte ich bisher jedenfalls keine Probleme damit gehabt. Aber jetzt konnte ich einfach nicht widerstehen. Ich bewegte meine Hand leicht zur Seite, ließ meinen kleinen Finger wieder etwas abstehen und berührte ein weiteres Mal die fremde Hand. Dort schien die erneute Berührung schon erwartet worden zu sein. Ich zog die Hand jetzt nicht gleich zurück, sondern ließ den Kontakt bestehen. Der fremde Finger strich sanft über meinen. Ich ließ es geschehen und erwiderte die zärtliche Geste. Das Kribbeln wurde stärker. Was passierte hier gerade? Mein Herz schlug schneller. Die Bahn bremste ab, das Gedränge ging wieder los, der Kontakt war erneut unterbrochen. Ich machte keine Anstalten, meinen Mitfahrer anschauen zu wollen. Ich wollte nicht wissen, wen ich da berührt hatte. Noch nicht. Aber ich gedachte es zu wiederholen. Unbedingt. Es war ein unglaublich gutes Gefühl. Als der Zug wieder anfuhr, befürchtete ich, dass mein Mitfahrer die Bahn an der Station verlassen haben könnte. Mehrere Leute waren ein- und ausgestiegen. Aber dann spürte ich ihn erneut. Dieses Mal hatte er den Kontakt gesucht. Vorsichtig hatte er sich mir angenähert. Ich vergaß meine Bedenken und die fremden Menschen um mich herum und ließ nun meinen Zeigefinger sachte an seinem auf- und abstreichen. Zögerlich erwiderte er meine Annäherung. Unsere Finger spielten kurz aber zärtlich miteinander. Dann zogen wir uns fast gleichzeitig wieder zurück. Wahrscheinlich konnten wir beide nicht einordnen, was da gerade zwischen uns passierte. Nach dem nächsten Halt wollte ich mir den geheimnisvollen Fahrgast anschauen, nahm ich mir vor. Vermutlich hatte er längst einen Blick auf mich geworfen und wusste, mit wem er da anbandelte. Was, wenn er so gar nicht mein Typ war? Dann würde ich beim nächsten Halt aussteigen und mir ziemlich blöd vorkommen. Aber was soll’s, dachte ich mir. Es kribbelte und ich kam nicht dagegen an. Die Bahn hielt in der Station und ich drehte meinen Kopf kurz zu seiner Seite, als sich ein Fahrgast Richtung Tür an uns vorbeidrängelte. Mein besonderer Mitfahrer sah mich nicht an, sein Blick war auf das Fenster zum Gehsteig auf der Station gerichtet. Ich staunte nicht schlecht, als ich ihn erblickte. Er war deutlich jünger als ich. Vielleicht Mitte zwanzig. Wenn überhaupt. Er hätte mein Sohn sein können. Machte ich mich hier gerade lächerlich? Hatten andere Fahrgäste etwas von unserem kleinen Spiel mitbekommen und amüsierten sich über das ungleiche Paar? Einem ersten Impuls folgend wollte ich schon aus der Bahn flüchten und die Heimfahrt mit der nächsten fortsetzen. Aber irgendetwas hielt mich zurück. Der Zug fuhr an. Ich wendete meinen Blick mit gemischten Gefühlen in die entgegengesetzte Richtung. An der übernächsten Station musste ich aussteigen. Dann würde ich ihn wohl nie wieder sehen. Merkwürdigerweise ließ das Kribbeln in mir nicht nach, obwohl ich jetzt wusste, dass er viel zu jung war. Aber das war mir auf eine unerklärliche Weise egal. Im Gegenteil, es verstärkte sogar mein Verlangen danach, ihn noch einmal zu berühren. Ich suchte erneut den Kontakt, ging jetzt entschlossener vor, umfasste seine Hand sanft mit der meinen und streichelte sie. Er ließ es zu. Es fühlte sich gut an. Unsere Blicke trafen sich kurz. Es war ein aufregender Moment. Ich ließ seine Hand wieder los. Er schaute mich fragend an. Wir hatten die nächste Station erreicht.

»Beim nächsten Halt steige ich aus«, sagte ich leise und hoffte, dass er etwas entgegnen würde. Aber er blieb stumm. Er war gut einen Kopf größer als ich und hatte eine sportliche Figur. Ich wendete mich wieder von ihm ab. Was für ein merkwürdiges Rendezvous, dachte ich bei mir. Als die Bahn erneut anfuhr, musste ich mir eingestehen, dass ich diesen jungen Mann zu gerne etwas näher kennen lernen würde. Viel näher. Ohne ihn anzusehen suchte ich nach seiner Hand, fand sie und nahm sie fest in die meine. Meine kleine Hand wurde von seiner viel größeren zärtlich umschlossen. Die Bahn hielt an meiner Haltestelle. Ich sah ihn noch einmal kurz an. Er nickte. Ich bewegte mich zwischen den Leuten zur Tür. Er folgte mir. Hand in Hand verließen wir den Zug und die Station.

»Musstest du hier auch aussteigen?«, fragte ich etwas unsicher, als wir auf der Rolltreppe nach oben fuhren.

»Nein«, erwiderte er. »Ich hätte schon zwei Stationen früher aussteigen müssen«, fügte er etwas schüchtern hinzu.

»Gut«, sagte ich nur und drückte seine Hand fester. Jetzt war ich nicht nur wuschig, sondern auch wild entschlossen. Ohne weitere Worte zu verlieren, führte ich ihn zu meiner Wohnung, die in der zweiten Etage in einem Mehrfamilienhaus lag. Kaum hatte ich die Tür hinter uns ins Schloss geworfen, fing ich an, ihn hastig auszuziehen. Ich riss ihm seine Kleider förmlich vom Leib, während ich ihn ins Wohnzimmer bugsierte. Meine Hände wanderten verlangend über seinen gut gebauten Oberkörper. Ich öffnete seine Hose, griff hinein und fühlte seine starke Erregung. Er stöhne leise auf, als ich sein hartes Teil massierte.

»Zieh dich aus, alles«, raunte ich ihm zu. Er schlüpfte etwas unbeholfen aus den Schuhen und entledigte sich schnell seiner Hose. Als er nackt vor mir stand, zog ich mir hastig den Slip unter meinem Kleid runter. Ich nahm ihn wieder an der Hand, führte ihn zu dem großen Tisch aus Eiche, legte mich rücklings und breitbeinig darauf und zog ihn auf mich. Schnell drang er in mich ein, wir stöhnten beide lustvoll auf. Ich umklammerte ihn mit Beinen und Armen und drückte mich ihm wollüstig entgegen. Mit schnellen Bewegungen stieß er seine pralle Männlichkeit in mich, ich kratzte ihm mit den Fingernägeln über den Rücken und krallte mich in seinem Po fest.

»Mach es mir«, spornte ich ihn an und spürte, wie er seinen harten Prügel noch schneller in mich trieb. Ich war so geil wie schon lange nicht mehr und bei ihm war es wohl nicht anders. Er kam ziemlich schnell, aber mir erging es genauso. Wellen der Lust durchzogen mich. Mit zuckenden Körpern blieben wir keuchend auf meinem Wohnzimmertisch liegen. Ich hatte schon öfter davon geträumt, es einmal auf dem Tisch zu machen, aber ich hätte nicht gedacht, dass es tatsächlich mal passieren würde. Er blieb noch einen Moment auf mir liegen. Als wir wieder zu Atem gekommen waren, schob ich ihn von mir runter und schickte ihn ins Bad.

Als er zurückkam, hatte ich mein Kleid zurechtgerückt und einen Zettel mit einem Stift auf den Tisch gelegt.

»Du kannst jetzt gehen«, sagte ich versonnen. »Ich melde mich bei dir, wenn du wiederkommen sollst. Schreib mir deine Handynummer auf.«

Er nickte nur und schrieb mir seine Nummer auf. Dann zog er sich an. Etwas unentschlossen blieb er zunächst in meinem Wohnzimmer stehen.

»Bis bald, ich freu mich drauf«, ließ ich ihn wissen.

»Ich mich auch«, antwortete er lächelnd und verließ dann artig meine Wohnung.

Ich ließ mir ein Schaumbad ein, gab eine großzügige Portion Rosenholzöl hinzu und versank träumend in der Wanne. Ich ließ das unverhoffte Abenteuer in meinem Kopf noch einmal Revue passieren und lächelte dabei selig. Erklären konnte ich mir das Ganze nach wie vor nicht. Merkwürdigerweise interessierte es mich überhaupt nicht, was für ein Mensch hinter meiner geheimnisvollen U-Bahn-Bekanntschaft steckte. Er war plötzlich in mein Leben getreten und dort wollte ich ihn nun auch noch eine Weile behalten. Ich hatte schon einige Männer kennen gelernt und immer die gleichen Fragen gehabt. Was macht er beruflich? Wie viel verdient er? Wie verbringt er gerne seinen Urlaub? Hat er Kinder? Wie ist seine Wohnung eingerichtet? Treibt er Sport? Das alles interessierte mich bei ihm überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich wollte davon gar nichts wissen. Wollte nicht wissen, ob er eine Freundin hat. Wollte nicht erfahren, ob er studiert oder sein Geld als Hilfsarbeiter verdient. Wollte nicht wissen, ob er lieber Fisch oder Fleisch isst. Stattdessen machte ich mir Gedanken darüber, was ich mit ihm noch alles erleben könnte. Instinktiv hatte ich in der Bahn die Kontrolle übernommen. Hatte ihn ohne Wenn und Aber an der Hand mit zu mir nach Hause genommen und ihn ohne Umschweife ausgezogen. Nachdem er es mir besorgt hatte, hatte ich ihn einfach wieder weggeschickt. Ihm schien es genauso gut gefallen zu haben wie mir. Der Gedanke, auch bei zukünftigen Treffen die Kontrolle über ihn zu haben, erregte mich. Ich hatte seine Nummer und war mir sicher, dass er meinen Anruf sehnsüchtig erwarten würde.

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© Autor Stefan Bouxsein