„Hörst du das auch?“, fragte ich.
„Mm mhm. Was ist das?“
„Ich weiß nicht.“ Ich setzte mich nun aufrecht ins Bett und spitzte meine Lauscher. „Das kommt von der Wand hinter uns“, stellte ich fest.
„Aus Suite 201? Wie viel Uhr ist es denn?“
„Zwei Uhr morgens.“
Die Geräusche wurden lauter. „Das gibt es doch nicht“, regte ich mich auf. „Hörst du das? Die haben Sex! Um zwei Uhr morgens. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Die geben ja Laute von sich wie die Tiere im Zoo.“
„Hätte ich denen gar nicht zugetraut“, murrte Susanne schlaftrunken.
Ich war mittlerweile aufgestanden und lief, die Hände in die Hüften gestützt, im Zimmer umher.
„Das hört ja gar nicht mehr auf. Das wird ja immer lauter da drüben. So kann ich unmöglich wieder einschlafen.“ Ich griff mir einen meiner herumliegenden Schuhe und trommelte damit gegen die Wand. Das half aber gar nichts. Zu dem Gestöhne und Gewimmere von drüben kamen jetzt lediglich noch meine Schuhklopfgeräusche dazu.
„Das geht ja gar nicht“, kommentierte ich diese unhaltbare Situation. „Ich werde mich beschweren.“ Ich griff zum Telefonhörer und verlangte umgehend nach Jonathan.
Zwei Minuten später klopfte es dezent gegen unsere Zimmertür. Ich machte auf und winkte Jonathan in unser Schlafzimmer, wo Susanne mittlerweile mit Ohrstöpseln im Bett lag.
„Hörst du das, Jonathan? Das kommt von da drüben. Von Suite 201.“
„Es ist tatsächlich nicht zu überhören, Herr Bremer.“
„Das muss aufhören, Jonathan. Jetzt sofort. Ich will schlafen.“
Jonathan schaute mich abwägend an. „Das haben die Herrschaften aus Suite 201 gestern Nacht auch gesagt. Und vorgestern Nacht. Und vorvorgestern Nacht. Und ...“
„Jonathan“, unterbrach ich ihn. „Das kannst du doch nicht vergleichen. Bei uns war das wie Musik. Da war Rhythmus drin. Aber das da drüben ... das ist doch nicht auszuhalten.“
Jonathan ging zur Wand und legte sein Ohr daran. Susanne räkelte sich derweil missmutig im Bett umher. „Doch, da ist auch ein gewisser Rhythmus herauszuhören, Master Bremer. Ein etwas anderer Rhythmus. Aber Sie wissen doch bestimmt, andere Betten, andere Sitten.“
Ich gesellte mich zu Jonathan an die Wand, legte mein Ohr neben seines und lauschte neugierig. „Er grunzt und sie quiekt“, stellte ich fest.
„Aber rhythmisch. Grunz grunz quiek. Grunz grunz quiek.“
Ich drückte mein Ohr fester gegen die Wand. „Jetzt machen sie quiek quiek grunz, quiek quiek grunz.“
„Neue Stellung“, vermutete Jonathan.
Ich stellte mich jetzt mitten ins Zimmer und bewegte mich wie ein Dirigent. „Aaah aaah oooh jaaa. Aaaaah aaaaah ooooooh jaaa. So muss das klingen, Jonathan“, sagte ich und dirigierte das zur besseren Veranschaulichung.
„Vielleicht diskutieren Sie das besser morgen Früh am Frühstückstisch mit den Herrschaften“, schlug Jonathan diplomatisch vor.
„So viel Zeit habe ich nicht“, winkte ich ab. Ich stellte mich dicht vor die Wand und fing laut an zu rufen. „Aaaaah aaaaah oooooh jaaaa. Aaaaaah aaaaah oooooooh jaaaa.“
„Hans, Jonathan, was macht ihr denn da?“, raunte Susanne.
„Aaaaah aaaah oooooh jaaaa. Aaaaaaah aaaaah oooooh jaaaa“, rief ich unbeirrt weiter und hoffte, dass das da drüben bald besser lief.
„Vielleicht sollte ich Herrn Bremer besser eine Schlaftablette besorgen“, schlug Jonathan etwas besorgt vor.
Von drüben erklang jetzt ein sehr lautes quuuuiiek quuuuuuiek quuuuuiiiiiiiiek grrrrrruuuuuuuuuunzzzzzzzzzz. Und dann war plötzlich Ruhe.
Jonathan und ich schauten uns eine kurze Weile abwartend an. Es blieb ruhig. Ich hielt Jonathan meine flache Hand entgegen und er klatschte mich ab. Susanne saß jetzt aufrecht im Bett und betrachtete uns interessiert.
„Dann kann ich mich ja wieder zurückziehen“, sagte Jonathan erleichtert.
„Ja, Jonathan. Danke für deine Unterstützung. Ich bin jetzt aber hellwach. Ich denke, ich lackiere jetzt erst mal Susannes Fußnägel.“
„Ich bringe Schlaftabletten“, erwiderte Jonathan mit erschrockenem Gesichtsausdruck.